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MALLORCA
DIE ZEIT ANHALTEN
Was für ein Glück, dass selbst Inseln wie Mallorca noch immer für Überraschungen gut sind: Ein paar Spots, an denen man bestens zur Ruhe kommt.
Manchmal sind es zwölf Minuten, die den Unterschied machen: als würde der kurze Ritt im Speedboat übers Wasser mehr als ein halbes Jahrhundert überbrücken und der gelbe Renner aus Colònia de Sant Jordi in der Vergangenheit festmachen – an einer alten Mole in einer von Felsen eingefassten Bucht, über der eine Burgruine thront. Die flache Häuserzeile am Hafen bringt es nur auf ein paar Gebäude, auf Polizeiwache, Ranger-Station und die einzige Bar des Archipels. Leuchtreklamen gibt es nicht. Zweihundert Meter sind es von hier bis zum Fußballplatz und zum Strand, auf dem Wasser ankern ein paar Yachten, jede einzelne von ihnen braucht dafür eine schriftliche Vorabgenehmigung.
Cabrera-Inseln – wie Mallorca früher
So abgedroschen das Bild ist, so sehr trifft es hier doch zu: Auf den Cabrera-Inseln, die Mallorcas Südostküste vorgelagert sind, ist die Zeit stehen geblieben. Mallorca scheint eine Ewigkeit entfernt und ist doch am Horizont zu erkennen. So wie hier wird es früher auch dort ausgesehen haben. Cabrera war lange militärisches Sperrgebiet, ist heute das Herz eines streng geschützten Nationalparks. Neu gebaut werden darf hier nichts, die Zahl der täglichen Besucher ist limitiert, und statt befestigter Straßen gibt es Pfade und ein paar Sandwege für die paar Geländewagen. Was es zu sehen gibt? All diese Unberührtheit, Berge, Meer, Blüten – und mit ein bisschen Glück sogar Delfine, die vor der Küste aus dem Wasser springen. Dazu seltene Echsen auf den Felsen, Fischadler am Himmel.
Wie schön, dass es dieses Gestern noch gibt, diese kleinen Rückzugswinkel, diese Perspektivwechsel. Und das Schöne ist: Man braucht Mallorca dafür nicht mal zu verlassen, manchmal genügt ein Spaziergang, um etwas Besonderes zu finden: vorbei an den letzten Liegestühlen und Sonnenschirmen, an ein paar halb zerfallenen Bootschuppen aus Beton, erst auf einem befestigten schmalen Pfad über Stock und Stein, dann über den immer breiteren Strand oder barfuß durch das seichte Wasser. Mit jedem weiteren Schritt wird das Szenario schöner. Und wieder ist der Ort Colònia de Sant Jordi der Ausgangspunkt: Links ist es Grün, wachsen Strandgräser, Pinien sogar, sind Dünen, die schnell den Blick ins Hinterland versperren, rechts ist das Meer, schillert in schönstem Duschgel-Türkis, während die Wellen auf hellem Sand aus den schönsten Urlaubsträumen ausrollen. Und mit jedem Meter mehr ist weniger los, oft sogar ist dieser Strand über weite Strecken fast menschenleer. Diesen Vormittag tollt dort ein Golden Retriever herum, noch etwas weiter verausgabt sich ein Vater beim Aufblasen des Plastik-Delfins der Tochter, dort weist ein vielleicht siebenjähriger Junge mit Architekten-Ambitionen die längst eingespannte restliche Familie ein, wie denn nun seine Traum-Sandburg genau zu werden hat. In Sichtweite hat jemand mit dem Boot 25 Meter vor der Küste Anker geworfen und macht ein Nickerchen an Deck.
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Entdeckungen im Hinterland: Von Januar bis in den März hinein blühen die Mandelbäume
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Reiche Ernte: Weinlese auf einer Finca beim Ort Biniagual
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Einsamer Strand, nur ein paar Schritte weiter: die andere Seite von Colònia de Sant Jordi
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Unterwegs zum Strand ohne Namen Warum nicht mehr los ist? Weil die Strände hier mit dem Auto nicht zu erreichen sind und über mehrere Kilometer an das angeblich zweitgrößte Privatgrundstück der Insel grenzen. Es gehört einer mallorquinischen Bankiersfamilie, deren Villa dort steht . Auch ein privates Badehaus gehört zum Anwesen. In den Morgenstunden sieht man manchmal jemanden von dort mit einem Handtuch unter dem Arm durch die Gartenpforte und die paar Stufen herab zum Meer steigen. Der auf ganzer Länge angrenzende Strand ist öffentlich – und einsam. Einsame Klasse ist er auch! Einen klagvollen Namen hat er nicht, alle paar Hundert Meter heißt er anders. Aber leicht zu finden ist er und reicht vom Ortsausgang von Colònia de Sant Jordi unterbrochen von längeren felsigen Passagen bis fast zum Leuchtturm von Ses Salines, alles in allem ein Buchtenband von gut zehn Kilometern. Solche Zeitreise-Spots beschränken sich auf Mallorca nun keineswegs nur auf die Küste, auch tief im Binnenland gibt es sie: Dafür steht das Dörfchen Biniagual, das aus nur wenig mehr als einem Dutzend Häusern besteht. Bis auf ein einziges waren sie Ende der 1960er-Jahre alle aufgegeben worden, viele bereits seit mehr als einem halben Jahrhundert – und mit ihnen ebenfalls die umliegenden Ländereien.
Eine Reblaus-Plage hatte dem einstigen Winzerort ein jähes Ende bereitet und schließlich auch die Menschen vertrieben. Häuser zerfielen, Gärten verwilderten – bis seinerzeit ein Deutscher alles mitsamt 170 Hektar Ackerland nach und nach aufkaufte, renovierte, restaurierte, die Äcker wieder urbar machte, bewirtschaftete.
Heute führt eine Kopfsteinpflasterstraße durch diesen kaum bekannten Bilderbuchort in Mallorcas Hinterland, führt vorbei am Brunnen auf dem Dorfplatz und der kleinen Kapelle zur Bodega, wo inzwischen wieder der eigene und bereits vielfach prämierte Wein von Biniagual aus den Trauben von rund 148.000 Rebstöcken gekeltert wird.
Ab und zu mal laufen ein paar Wanderer durchs Dorf, holpern Mountainbikes übers Kopfsteinpflaster, steuern Weinliebhaber mit dem Leihwagen die Bodega an. Ein Hotel gibt es im Ort nicht. Manchmal aber kommen auch ganze Hochzeitsgesellschaften hierher, mieten Biniagual als Event-Location, speisen an langen Tafeln in den Gärten. Leicht zu finden ist der Ort allerdings nicht: Hinweisschilder an der Straße gibt es überhaupt erst auf den letzten paar Hundert Metern, für die meisten der Wenigen, die hierhergelangen, ist der Ort daher eine Zufallsentdeckung: Mallorca aus dem Bilderbuch. Schon wieder! Wie schön!
Helge Sobik

GRUPOTEL MOLINS An der Cala San Vicente an der Nordwestküste liegt dieses 5-Sterne-Hotel mit atemberaubendem Blick auf das Meer und die imposanten Berge. An den beiden Pools relaxt es sich herrlich! Wer lieber aktiv wird, startet direkt vom Hotel zu Wanderungen und Fahrradtouren in die schöne Umgebung.

TUI BLUE ROCADOR Hier können Sie in jeder Hinsicht abtauchen – im glasklaren Wasser der Bucht Cala Gran, an dessen Sandstrand unser Hotel liegt, im großen Außenpool oder im Blue SPA. Auch im großen Garten und in den in Meerestönen eingerichteten Zimmern lässt es sich so gut entspannen, dass Sie gar nicht mehr wegwollen.