TRENDZIEL SÜDITALIEN
HUT AB VOR APULIEN
Puristische Architektur, tausendjährige Olivenbäume und das flirrende Licht des Südens: Der italienische Stiefelabsatz kommt als Urlaubsziel gerade schwer in Mode. Auch die Stars aus Hollywood sind schon da.
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Mittag in Monopoli. Die verwinkelten
Gassen des Hafenstädtchens liegen in der gleißenden Sonne. Ein Schulkind hüpft über das Pflaster und verschwindet durch einen Schnurvorhang im Schatten einer Parterrewohnung. Aus offenen Fenstern dringt Tellerklappern und der Geruch nach gebratenem Fisch. Frauenstimmen kommandieren herum wie Sofia Loren in ihren besten Rollen.

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Dicht am Wasser gebaut:
Hafenstädtchen Monopoli
Monopoli wirkt wie Süditalien auf einer alten Schwarz-Weiß-Postkarte. Doch dann schaue ich genauer hin. Und sehe, dass überall in der Altstadt renoviert wird. Sehe frischen Mörtel auf den maurisch wirkenden Kubenhäuschen. Leinenvorhänge, die edel aus Sprossenfenstern bauschen. Vor 20 Jahren gab es in Monopolis Altstadtgassen angeblich noch nicht mal Straßenlaternen.
Jetzt macht sich das Fischerörtchen südlich der apulischen Hauptstadt Bari hübsch. Und ist damit nicht alleine. Apulien, die süditalienische Region zwischen Adria und Ionischem Meer, wandelt sich gerade von einem verschlafenen Stück Süden zum schicksten Urlaubsziel des Landes. Hollywood-Stars wie Helen Mirren und Gerard Depardieu, aber auch kreative Trendsetter aus Norditalien sichern sich für relativ wenig Geld Landgüter und barocke Stadtpalazzi und wandeln sie in geschmackvolle Feriendomizile und Hotels um. Man kann hier ästhetisch wenig falsch machen; das stelle ich bei jeder meiner Reisen durch Apulien fest. Am liebsten fahre ich von Bari aus südwärts bis tief in den Salento hinein, den italienischen Stiefelabsatz.
Im afrikanischen Licht des Südens
Erstmal lasse ich das Autofenster herunter, damit der Duft nach süßem Klebsamen und würziger Macchia herein kann. Dann rolle ich los. Über schnurgerade Straßen, die endlose Kornfelder teilen. Durch Olivenhaine, in denen sich die Wurzeln uralter, knorriger Bäume in die Erde krallen. Szenarien, die etwas Biblisches an sich haben. Darüber spannt sich ein gewaltiger Himmel und das kräftige afrikanische Licht des tiefen Südens. Es beleuchtet die Architektur des ländlichen Apuliens, die schlicht ist, schön und nie kitschig. Es gibt Trulli, die lustigen Zipfelmützenhäuschen, die sich gern in Grüppchen zusammendrängen. Dann Masserien, imposante Gutshäuser mit zinnenbewehrten Flachdächern.
Oder Lamias, niedrige Steinhäuschen, die die Bauern bei ihrer Arbeit in Olivenhainen und Weingärten nutzen. Überall würde ich am liebsten sofort einziehen. Die Landarchitektur lockt mit dicken Tuffsteinmauern, mit kühlen Steinböden und sternförmigen Deckengewölben, wie wir Nordlichter sie nur aus dem Kirchenbau kennen. Man müsste gar nicht viel machen, denke ich jedes Mal, wenn ich irgendwo durch ein Fenster spitze. Nur die Wände weißeln, einen Strohhut an die Wand hängen und den Liegestuhl aufklappen. Fertig ist das Ferienglück. Es war Stauferkaiser Friedrich II., der als erster auf die schlichte Sachlichkeit apulischer Feriendomizile setzte. Er residierte im nordapulischen Foggia und ließ vor 800 Jahren auf dem kargen Hochplateau der Murgia bei Bari die achteckige Burg Castel del Monte erbauen, wo er mit Greifvögeln jagte. Die Burg sitzt einsam und geheimnisvoll auf einem karstigen Hügel, ein Trampelpfad führt zum Eingang. Bei meinem ersten Besuch teilte ich mir das UNESCO-Welterbe mit einer Handvoll weiterer Besucher. Overtourismus ist in Apulien – wenn man nicht gerade im August einen Platz an der Punta della Suina sucht, dem hippsten Strand Süditaliens – zum Glück noch ein Fremdwort.
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Gallipoli ist das Ibiza Apuliens – natürlich mit eigenem Stadtstrand
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Los geht‘s mit Fisch: In Apulien gibt es die besten Antipasti Italiens
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Mehr Barock geht nicht: Der Dom von Lecce
Zum Barock passt am besten Rosato
In den Städten Apuliens macht der weiß gekalkte Purismus dann cremefarbenem Barock Platz. In Lecce, der verführerisch schönen Hauptstadt des Salento, haben die Baumeister den lokalen, weichen Sandstein für ihre Kirchen und Palazzi zu derart prachtvoll ziselierten Fassaden geschnitzt, dass mir immer leicht schwindelig wird. Ich erhole mich dann in einer der schicken Aperitif-Bars, die in den letzten Jahren rund um die hübsche Piazzetta Santa Chiara aus dem Boden geschossen sind. Am liebsten trinke ich in Apulien Rosato, der hier viel mehr Farbe, Struktur und Kraft besitzt, als seine blässlichen Kollegen aus Norditalien. Und der sich perfekt als Begleitung zu Taralli eignet – das sind knusprige Teigkringel, gewürzt mit Olivenöl und wildem Fenchel. Ich bin schon lange süchtig nach ihnen. Noch lieber als Lecce habe ich die verschlafenen Kleinstädte im Landesinneren, wo sich noch viel von der liebenswerten, feierlichen Bürgerlichkeit Süditaliens erhalten hat. Hier wirkt die Welt so intakt, als sei sie irgendwann in den 1950er-Jahren mit Bügelstärke fixiert worden. In Martina Franca etwa, mit seinem etwas zu groß geratenen Dom und den blank polierten Steingassen, in denen es nach Waschmittel und Espresso riecht und die Bedienung im Caffè Tripoli den Gast mit der altmodischen Höflichkeitsformel des Südens anspricht: „Was wünscht Ihr?“
Zum Frühstück warme Pasticiotti
Oder in Nardò, dem Ex-Dornröschen unter den apulischen Stadtschönheiten. Wachgeküsst haben es eine ganze Reihe verliebter Ausländer, die viele der hübsch verschnörkelten Barock-Palazzi gekauft und wieder auf Vordermann gebracht haben. Mein absoluter Lieblingsort aber ist Galatina. Es ist das verführerischste aller salentinischen Städtchen, das weiß es aber nicht. Das macht es umso charmanter. Die Balkone in Galatina tragen bauchig geschmiedete Geländer und die Gassen und Plätze werden von barocken Sandsteinfassaden gesäumt, die mit ihren Schörkeln und blättrigen Torbögen so appetitlich wirken, als seien sie aus Mürbeteig geformt. Das kommt mir aber vielleicht nur deshalb so vor, weil ich mir in der Pasticceria Ascalone, einer puppenstubenartigen Konditorei mit uralter Registrierkasse, immer einen Pasticiotto gönne. Das mit Vanillecreme gefüllte Pastetchen liegt schwer in der Hand und wird von den Einheimischen am liebsten noch warm zum Frühstück verzehrt. Ist es nicht nett, wenn Menschen so üppig in den Tag starten? Der Pasticiotto ist ein Omen, denn die Küche bleibt reichhaltig bis tief in die Nacht. Nirgendwo sind die Antipasti so vielfältig wie hier, wo sich Fleischbällchen, gratinierte Miesmuscheln, gefüllte Auberginen und frittierte Zwiebelchen zweistöckig auf dem Tisch stapeln. Danach bestelle ich gerne den Klassiker Fave con Cicoria, Saubohnenpüree mit gedünstetem Bittergemüse. Es ist die einzige herbe Note auf meinen Apulienreisen – und ich genieße sie sehr.
Annette Rübesamen
INSIDER-TIPP
Cisternino ist ein entzückendes weißes Städtchen. Die perfekte Mischung aus Geschichte und Lebensart. Es gibt viele coole Bars, und immer sonntags spielen die Studenten des Konservatoriums zum „Aperitivo Classico“ auf.
Gino Minerva, Wirt der „Enoteca Tholos“, Alberobello
Sand & Sushi Die persönlichen Tipps unserer Autoren. Für Sie in Apulien recherchiert.
LAGE
Apulien erstreckt sich vom Sporn des italienischen Stiefels bis zu seinem Absatz. Die Flughäfen von Bari und Brindisi erschließen die Region.
HIGHLIGHTS
Castel del Monte, Andria In der Architektur der 800 Jahre alten, geheimnisvollen Stauferburg mit ihrer streng geometrischen Bauweise dreht sich alles um die Zahl Acht. Auch weit gereiste Besucher kriegen bei ihrem Anblick Herzklopfen. www.casteldelmonte.beniculturali.it
Santa Caterina, Galatina
Giotto-Schüler haben die romanisch gotische Kirche bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Fresken ausgemalt und sich dabei die gesamte Bibel vorgenommen. „Ein zweites Assisi“, schwärmen Kunsthistoriker.
GENIESSEN
Bar La Cotognata, Lecce
Lecce ist berühmt für sein Quittenbrot, das stundenlang im Kupferkessel über dem Holzfeuer gekocht wird. Besonders gut schmeckt die geleeartige Süßigkeit in der Bar von Barbara De Matteis.
Pescheria 2 Mari, Savelletri
Apulisches Sushi im coolen Glaskasten-Restaurant: Roher Schwertfisch, Langusten, Scampi und Zahnbrasse werden hübsch arrangiert serviert. Bei gutem Wetter viele Tische draußen auf der schönen Terrasse.
NICHT VERSÄUMEN
In Baris Altstadt findet das Leben auf der Straße statt. In den Gassen werden Nudeln gerollt und Kinder geschimpft, Wäsche getrocknet und auf den ins Freie gestellten Stühlen bis tief in die Nacht Gespräche geführt. Einmalig! Am besten ohne Stadtplan losziehen und sich treiben lassen.
DIE SCHÖNSTEN STRÄNDE ERLEBEN
Bei knapp 800 Kilometer Küsten findet jeder sein Plätzchen! Bei Otranto gibts an der Spiaggia di Alimini Karibik-Feeling. Auch der Strand an der Punta Prosciutto hat Südseequalitäten und ist dazu schön flach. Bei Gallipoli badet man am Sandstrand der Punta Suina, und die stille Bucht von Porto Selvaggio liegt hinter duftenden Pinien.
10 Traumstrände in Apulien unter www.tui.com/straende

Villa Cenci
Möchten Sie unbedingt in einem apulischen Zipfelmützenhaus schlafen? In diesem Trulli-Hotel bei Cisternino mit Pool und herrlichem Garten wird Ihr Traum wahr!


Masseria Torre Maizza
Tolle Kombination: ein herrschaftliches altes Landgut, dazu modernes Design, edler Luxus und drumherum die schönsten Olivenbäume Italiens.
Canne Bianche
Eine feine Adresse für entspannte Badeferien an der Adriaküste. Cooles Design mit viel Weiß trifft auf Lifestyle, Spa und direkten Zugang zum Strand.
